Presseberichte der Mitteldeutschen Zeitung

Windhose verwüstete Teile von Wittenberg

Zahlreiche Häuser zum Teil schwer beschädigt - Etliche Unfälle mit Lastwagen

Wittenberg/MZ. "Die Situation ist völlig unübersichtlich." Mit diesen Worten umschrieb am späten Donnerstagabend ein Polizist die Lage in Wittenberg. Mitarbeiter der Rettungsleitstelle meldeten über Funk, in Teilen der Stadt sehe es chaotisch aus. Eine Windhose war offenbar durch die Dessauer Straße gezogen, außerdem gab es über Stunden einen totalen Stromausfall, Telefone funktionierten nicht. Nach MZ-Informationen wütete der Sturm vor allem in der Dessauer Straße. Dabei wurden zahlreiche Häuser zum Teil schwer beschädigt. Dächer wurden abgedeckt, Scheiben gingen zu Bruch. Nach Angaben eines Polizeisprechers gab es mehrere Verletzte. Im Stadtgebiet ereigneten sich außerdem etliche Unfälle mit Lastwagen. Einer davor ereignete sich auf der Wittenberger Elbbrücke, die dadurch für mehrere Stunden blockiert war. Große Schäden verursachte der Orkan auch außerhalb Wittenbergs. Am Rande der Bundesstraße in Richtung Mühlanger stürzten zahlreiche Bäume um, binnen kurzer Zeit ereigneten sich dort vier Unfälle. Währenddessen bemühten sich Mitarbeiter des Energieunternehmen envia Mitteldeutsche Energie AG, den Stromausfall zu beheben, von dem allein in Sachsen-Anhalt über 50000 Kunden betroffen waren. Es werde mit Hochdruck an der Reparatur der beschädigten Anlagen und Leitungen gearbeitet, teilte das Unternehmen am späten Abend mit. Allerdings erschwerten Orkanböen und Regenfluten die Bemühungen. Der Stromausfall wurde den Angaben zufolge von Ästen und Bäumen verursacht, die auf Freileitungen gestürzt waren. Bereits am Nachmittag war es überall in Sachsen-Anhalt zu Störungen gekommen. Ein Oberleitungsschaden hatte bei Köthen zu Behinderungen des Zugverkehrs auf der Strecke Halle-Magdeburg geführt. In Kreis Quedlinburg fuhr am Abend ein Zug des Harz-Elbe-Express bei Ditfurt in einen umgestürzten Baum. Dabei wurde der Führerstand beschädigt, verletzt wurde niemand. Der Zug konnte nur bis zum Bahnhof Quedlinburg weiterfahren. Bereits am Vormittag waren in zahlreichen Schulen des Landes die Kinder aus Sicherheitsgründen vorzeitig nach Hause geschickt worden. Das Kultusministerium in Magdeburg hatte den Schulen in einer Weisung freigestellt, den Unterricht frühzeitig zu beenden.

Quelle: MZ 18.01.2007

 

Zehn Minuten Todesangst

Viele Häuserdächer abgedeckt und Bäume entwurzelt - Kirche wurde evakuiert

von Markus Wagner

Wittenberg/MZ. Abgedeckte Häuser, zerstörte Fenster und umgeworfene Autos: Das Sturmtief "Kyrill" hat in Wittenberg besonders stark gewütet. "Zwei Stunden später", sagt Frank Präger zu seiner Schwiegermutter, "zwei Stunden später, und du wärst nicht mehr." Renate Wilhelm stehen noch am nächsten Tag die Tränen in den Augen, wenn sie an die furchtbaren zehn Minuten denkt, in denen der Orkan "Kyrill" die Fensterfront ihrer Wohnung buchstäblich beschossen hat. Ziegelteile, so groß wie zwei Handflächen, liegen dort, wo sich Frau Wilhelm sonst zur Ruhe begibt. Der Orkan hatte die Ziegel vom Nachbarhaus abgehoben und durch die Fenster geschleudert. Lange Minuten, in denen sie Todesangst hatte. "Gerade viele ältere Menschen", sagt der Geschäftsführer der Wittenberger Wohnungsbaugesellschaft (Wiwog), Fritz-Peter Schade, "haben sich an den Krieg erinnert gefühlt." Es sind zumeist Wohnhäuser der Wiwog, die die schwersten Schäden davongetragen haben. 40 Wohnungen entlang der Dessauer Straße sind so stark beschädigt, dass Mieter dort nicht mehr leben können. Wenigstens sind die Menschen, bis auf kleine Schnittwunden und Prellungen, unverletzt geblieben. Etwas glimpflicher als in der Dessauer Straße ging es im Zentrum ab. Allerdings machte "Kyrill" auch vor dem Weltkulturerbe nicht Halt. Vom Turm der Schlosskirche brachen zwei Seitenaufsätze ab. Einer schlug durch das neue Dach der noch nicht fertigen Jugendherberge, einer durch das Kirchendach, unter dem die Gemeinde gerade Gottesdienst feierte. 120 Menschen mussten nach einem Stromausfall, der die ganze Stadt erfasst hatte, mit Taschenlampen aus der stockdunklen Kirche gebracht werden. Außerdem riss der Sturm im Zentrum Ziegel von den Dächern, Teile der Fußgängerzone mussten gesperrt werden. Umgestürzte Bäume werden in dieser Nacht schon unter "Kleinigkeiten" verbucht. Keine Kleinigkeit ist der Schaden an der Christuskirche in Wittenberg West. Der Orkan hat nicht nur den Zeiger der Turmuhr verbogen: Große Teile des Schieferdaches hat er Richtung Osten geblasen, der 1908 erbaute Sandsteingiebel an der Ostseite liegt in großen Brocken auf der Erde. Wann er wieder hergerichtet werden kann, ist unklar. Gestern jedenfalls sortierten die Handwerker ihre Aufträge erst einmal nach Dringlichkeit. Man habe alle Baufirmen der Stadt gebunden, sagt Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD). In der Dessauer Straße machen sich die Mieter selbst an die Arbeit. Glassplitter aus der Wohnung räumen, den Vorplatz zu harken, sogar die ersten Fenster werden wieder geputzt. Horst Plaul hat die härteste Arbeit schon hinter sich. Als der Orkan richtig wütete, waren er und seine Nachbarn auf dem Dachboden. "Wir haben das Dach notdürftig geflickt, damit der Boden trocken bleibt", erzählt er. Bis 22 Uhr waren sie dabei auszubessern, danach war das Gröbste überstanden. Beim Keksfabrikanten Wikana war da schon nichts mehr zu machen. Große Teile der Dächer auf den alten Backsteingebäuden fehlen. Die Produktion steht still, weil der Orkan 50 Fenster eingedrückt und die Splitter in den Produktionshallen verteilt hat. Geschätzter Schaden: 300 000 Euro. Glimpflicher ist der Förderanlagenbauer Blume Rollen davongekommen. Obwohl auch hier Teile des Daches fehlen (Schaden etwa 100 000 Euro), musste nur die Konstruktionsabteilung Pause machen. An die ist bei den Aufräumarbeiten noch lange nicht zu denken.

Quelle: MZ 19.01.2007

 

Wind erschwert das Aufräumen

Fast überall gibt es wieder Strom - Züge fahren wieder - Wittenberger Schlosskirche abgesperrt

Wittenberg/dpa. In der Lutherstadt Wittenberg sind die Aufräumarbeiten nach dem Orkan «Kyrill» am Sonntagnachmittag durch stürmischen Wind teilweise erschwert worden. «Auch die kalte Luft macht den Leuten zu schaffen - Hut ab, was sie da vor allem auf den Dächern leisten», sagte Stadtsprecherin Karina Austermann am Sonntag. Insgesamt habe sich die Situation in Wittenberg aber im Vergleich zu den vergangenen Tagen entspannt. «Es geht weiter sichtbar voran», sagte sie mit Blick auf die Aufräum- und Sicherungsarbeiten an Häusern und Straßen. Schwerpunkt sei dabei nach wie vor der Stadtteil West. Die Gefahr durch herabfallende Dachziegel sei im gesamten Stadtgebiet noch nicht gebannt. «Man weiß nicht, wie locker die Ziegel auf jedem einzelnen Dach womöglich sind», sagte sie. Deshalb wolle die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit den Hauseigentümern prüfen, an welchen Stellen eventuelle Gefahren wie für öffentliche Wege auftreten könnten. Ziel sei es, diese so schnell wie möglich zu beseitigen. Der Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn rollte bereits am Sonnabend wieder. Nur auf der Strecke zwischen Güterglück und Zerbst (Landkreis Anhalt-Zerbst) gab es am Samstag noch Ersatzverkehr mit Bussen. «Allerdings fahren in Sachsen-Anhalt die Züge mancherorts noch nicht wieder so schnell wie sonst, gerade entlang von Waldgebieten». Reisende müssten daher mit Verspätungen rechnen. Wittenbergs Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD) zeigte sich optimistisch über den weiteren Fortgang der Aufräumarbeiten in der Stadt. Diese würden allerdings angesichts des Ausmaßes der Schäden noch einige Tage in Anspruch nehmen. In dem an der Bundestraße 187 gelegenen Stadtteil Wittenberg-West, wo rund 2800 Menschen leben, hatte der Sturm 28 Mehrfamilienhäuser beschädigt und teils komplett abgedeckt. 40 Wohnungen wurden nach Angaben der Wittenberger Wohnungsbaugesellschaft (WIWOG) besonders stark in Mitleidenschaft gezogen. Die betroffenen Mieter seien in Ausweichwohnungen des Unternehmens, bei Verwandten, Freunden und in Pensionen untergebracht worden. Angesichts teils dramatischer Orkanschäden auch in Firmen Sachsen-Anhalts hat das Wirtschaftsministerium seine Hilfe angeboten. «Wir wollen die Unternehmen und betroffenen Kommunen nicht allein lassen, sondern gemeinsam nach Lösungen suchen. Durch den Sturm darf kein Arbeitsplatz verloren gehen», sagte Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU). Es werde eine Hotline eingerichtet, bei der sich Unternehmen, aber auch Kommunen melden können, die Schäden am Betrieb oder beispielsweise in Gewerbegebieten erlitten. Die Nummern sind ab Montagmorgen 08.00 Uhr geschaltet und lauten 0391 - 567 4280 und 0391 - 567 4779.

Quelle: MZ 20.01.2007

 

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